Seit ein paar Jahren gehört der Begriff „Blended Learning“ zum didaktischen Inventar von Bildungsverantwortlichen in Sport und Wirtschaft, und das aus gutem Grund: Während man in den Anfängen der e-Learning-Bewegung mit großer Euphorie die Mehrwerte bei Geldersparnis und Lernmotivation gesehen hat, setzt man nach der großen Enttäuschung heute darauf, das Beste aus beiden Welten zu mischen bzw. zu integrieren, weswegen Kerres auch von „integriertem Lernen“ spricht (Kerres, 2002).
Drum "Prüfe", wer sich ewig bindet oder "mischt" in diesem Fall
Wer aber nun denkt, mit der Bezeichnung „Blended Learning“ sei irgendetwas geklärt, der täuscht sich (Reinmann, 2011). Der Begriff lädt dazu ein, die WAS-Frage (Inhalt/Lehrplan), die WIE-Frage (Lernprozess/Werkzeuge) und die WOZU-Frage (Qualifizierung, Kompetenzen, Bildung) neu zu stellen und nach belastbaren Antworten zu suchen. Genau das passiert gerade in vielen Sportorganisationen, die digitale Medien einführen wollen. Mit der Einführung wird neu über das Thema Bildungsräume (analog-digital) nachgedacht, was ebenso spannend wie herausfordernd ist, da liebgewonnene Lösungsmuster auf dem Prüfstand stehen.
Mehrwerte durch Digitalisierung
Doch ehe man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, und nun anfängt, alle Inhalte zu „digitalisieren“, um sie dann online zu „vermitteln“, sollte man noch einmal innehalten und darüber nachdenken, wo denn die digitalen Medien im Sport bzw. in der Trainerbildung einen Mehrwert jenseits der Wissensvermittlung (dem alten Fahrwasser) bringen können. Zentral ist dafür die Beobachtung, dass die Trainer:innen im Heimatverein (dezentral) aktiv sind und zur Fortbildung an die Sportschule X (zentral) kommen. Was liegt also näher, als das Zusammenspiel von zentralen und dezentralen Lernphasen neu zu denken?
Vom Input-Gedanken zur optimierten Lehrperformanz
Löst man sich einen Augenblick von der Vorstellung, irgendein Wissen vermitteln zu müssen (Input-Denken) und lenkt seinen Blick auf das aktuelle Können der Teilnehmenden, dann steht nicht „digitale Wissensvermittlung“ auf dem Plan, sondern z.B. die Analyse der eigenen Lehrkompetenz im Verein. Zumindest die Lehrperformanz (die Lehrleistung, also das, was sichtbar ist) lässt sich mit Video/Smartphone gut einfangen und in der Online-Lerngruppe vorab greifbar und diskutierbar machen. Wenn man das so umsetzt, ist das dann Online-Lernen? Nein, oder? Vielleicht zögert man mit dieser Bezeichnung an der Stelle deshalb, weil die Dokumentation der eigenen Lehrkompetenz mit der Trainingsgruppe sehr praxisnah ist, in jedem Falle aber nicht primär vor dem PC oder Laptop stattfindet.
Nachhaltigkeit in der Lehre
Was halten wir fest? Ich glaube wir tun gut daran, wenn wir das bisherige Rahmenkonzept „Online-Präsenz“ überdenken und stattdessen von „zentral-dezentral“ sprechen, denn die Vorstellung von „Online-Phasen“ beim Blended Learning vernebelt unseren Blick für eine kreative Didaktik. Vielleicht ist es ja auch so, dass das Konzept der „Wissensvermittlung“ (Transfermetapher) sozusagen in die „Online-Brille“ eingeglast war und wir haben es mit der Digitalisierung etwas blind am Leben erhalten. Da hilft nur eins: Brille abnehmen!
Quellen:
- Kerres, Michael (2002): Online- und Präsenzelemente in hybriden Lernarrangements kombinieren. In: Hohenstein, Andreas/Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. Köln: Fachverlag Deutscher Wirtschaftsdienst
- Reinmann, G. (2011). Blended Learning in der Lehrerausbildung: Didaktische Grundlagen am Beispiel der Lehrkompetenzförderung. URL: http://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2011/06/Blended-Learning-in-der-Lehrerausbildung.pdf
- Vohle, F. (2017). Social Video Learning – Eine didaktische Zäsur. Vortrag Uni Wien. https://www.youtube.com/watch?v=jbiOhbBd978